Schon von weitem sind die beiden Doppeltürme der Kirche von Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt zu erkennen. Auf der anderen Seite steht momentan noch ihr unrühmliches Pendant – in Form der zwei Kühltürmen des Kernkraftwerkes. Was aber kaum jemand von außerhalb kennt, ist das idyllische Naherholungsgebiet mit seiner Seenlandschaft am Altarm des Mains. Ein echter Geheimtipp für eine Wanderung im Schweinfurter Land.
Details zur Wanderung weiter unten (GPS-Daten, Karte, Beschreibung …)
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Das Dorf des Rokokos: Grafenrheinfeld
Die erste Erwähnung findet Grafenrheinfeld, das heute rund 3500 Einwohner zählt, in einer Urkunde von 741, in der König Karlmann die Steuereinnahmen des königlichen Gutes mitsamt der Ortschaft an das Bistum Würzburg verschenkte. Seine Ursprünge reichen jedoch bis ins Jahr 1500 v. Chr. zurück. Damals hatte neben dem Bistum Würzburg auch das Bistum Fulda Besitztümer in der Region. Man nimmt an, dass der Name Grafenrheinfeld von dem Wort Grabenrain abstammt.
Vor mehr als 1000 Jahren ging der Besitz dann an die Grafen von Schweinfurt über. Ihnen folgten die Grafen von Henneberg, von Castell und von Rieneck über, um schließlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts wieder beim Domkapitel Würzburg zu landen, bei dem sie auch verblieben, bis sie 1804 im Rahmen der Säkularisierung unter die Hoheit Bayerns kamen.
Die heutige Kirche wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut, zunächst mit nur einem einzelnen Turm. Der zweite Turm folgte dann wahrscheinlich gut 100 Jahre später. Seitdem prägt sie das schmucke Ortsbild und gehört sicherlich zu den bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten der Region. In jener Zeit kamen zahlreiche weitere wunderschöne Häuser im Ortskern hinzu, sodass Grafenrheinfeld heute zu den schönsten Rokoko-Dörfern in Nordfranken gilt.
Wegen seiner Nähe zur Industriestadt Schweinfurt blieb auch Grafenrheinfeld im zweiten Weltkrieg nicht ohne Schaden. Phosphor-Bomben, Luftminen und Sprengbomben legten fast den gesamten Ort in Schutt und Asche. Das Rathaus aus dem 1602, die alte Amtsvogtei (1626) und das Pflegerhaus von 1604 blieben jedoch weitgehend erhalten. Die Gebäude sind auch heute noch erhalten, im ehemaligen Pfegerhaus ist jetzt eine Pizzeria ansässig. Die historischen Gebäude stehen am Kirchplatz und stehen unter Ensembleschutz.
Der Main
Die Geschichte der Gemeinde ist sehr eng mit dem großen Fluss verbunden, der vor seiner Haustüre vorbeiführt, dem Main. Schon vor den verheerenden Kriegen im 20. Jahrhundert trafen weitere Katastrophen das Dorf. Da ist zum einen der Großbrand im Jahr 1871 zu nennen, der viele Bauten zerstörte, zum anderen einige schwerwiegende Überschwemmungen, die der Main regelmäßig auf dem Ackerland verursachte.
Davor schützten auch die Erdaufschüttungen zur Befestigung der Ufer sowie die aufwendigen Pfahlbauten nicht, denn Dammbrüche waren an der Tagesordnung. Die fehlenden Ernten führten zu großer Hungersnot am Ufer des Mains.
Noch bis ins Jahr 1823 durfte der Main seinem natürlichen, mäandrierenden Verlauf durch die weiten Überschwemmungswiesen folgen. Dann wurde der Mainabschnitt südlich von Schweinfurt auf Anregung der Bayerischen Staatsregierung begradigt. Bei der sogenannten Mainkorrektur wurden drei der Mainschleifen des einstigen Hauptstroms mit aufeinanderfolgenden Durchstichen umgeleitet, das Ganze durch Deiche gesichert. Die früheren Schleifen werden nun als Altmainschleife Süd und Nord bezeichnet.
Die Begradigung des Flusses brachte eine deutliche Besserung, denn nun konnte das Wasser schneller abfließen und die Überschwemmungen nahmen deutlich ab. Allerdings fiel die Siedlung Rheinfeld mit ihrer Kirche zum Opfer, heute erinnert lediglich ein Steinkreuz an den Ort.
Die Mainbrücke
Früher gab es zwischen den zwei Ortschaften am Main lediglich eine Fähre, die die Bauern auf die andere Seite zu ihren Feldern oder auch Kirchgänger hinüberbrachte. Das war natürlich mit einem enormen Aufwand verbunden. Die nächste Brücke gab es jedoch erst in Schweinfurt, was mit einem nicht zu verachtenden Umweg verbunden war.
Die Fähre fuhr weder bei sehr trockenem Wetter – und damit niedrigem Wasserstand, noch bei Hochwasser und natürlich auch nicht, wenn es stürmte oder der Fluss vereist war. Deshalb setzten sich beide Gemeinden schon früh für den Bau einer Brücke ein.
Als die Bayerische Staatsregierung jedoch keine Unterstützung zusagte, entschlossen sich die beiden Orte, die Brücke in Eigeninitiative zu errichten, auch wenn dies mit einer hohen Verschuldung einherging. Am 14. Juli 1901 erfolgte dann die Einweihung der neuen Mainbrücke durch den Würzburger Bischof.
Jeder, der die Brücke passieren wollte, musste damals in einem Zollhäuschen auf Bergrheinfelder Seite einen Brückenzoll entrichten. Ausgenommen waren königliche Beamte, Fahrzeuge und Personen, die Hilfe leisteten, und Prozessionen. Erst im Jahr 1941 wurde der Brückenzoll dann vom Landratsamt Schweinfurt aufgehoben.
Das ehemalige Zollhaus verschwand mit dem Neubau der Mainbrücke 1959, der dringend notwendig wurde, weil die Brücke im Krieg gesprengt worden war. In der Zwischenzeit gab es lediglich eine schmale Behelfsbrücke.
Die heutige Mainbrücke stammt aus dem Jahr 2009. Es handelt sich um eine Stahlbogenbrücke, bei der jetzt keine Pfeiler mehr im Main stehen und die Schifffahrt zu erleichtern.
Atomenergie in Deutschland
Als in den 1950er Jahren der Wiederaufbau Deutschlands vorangetrieben wird, wächst auch gleichzeitig die Nachfrage von Energie. Gleichzeitig drohen die Vorräte an Kohle zur Neige zu gehen. Da kam die neue Energiequelle wie gerufen. Anfangs war die Euphorie über das Atomzeitalter groß, man sprach sogar von Kernenergie betriebenen Automobilen oder gar Atomkochern für die brave Hausfrau in den nächsten zehn Jahren.
Der erste Forschungsreaktor sollte in München errichtet werden. Doch das war dem ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer zu nah am Ostblock. Deshalb entschied man sich für Karlsruhe als sicherere Alternative.
Aber wie es so kommt, gab es dort beim Bau Verzögerungen, sodass am Ende dann doch der erste Reaktor in Garching bei München stand. Und wer hätte es gedacht?
Franz-Josef Strauß wurde erster Bundesatomminister! Schon damals gab es kritische Stimmen, und das nicht nur wegen der Anreicherung der radioaktiven Substanzen zu Kernwaffen, die unter anderem zu Atombombenversuchen im Pazifik und deren verheerenden Folgen führte.
Kernkraftwerk Grafenrheinfeld
In den 1970er Jahren verstärkten sich die Proteste und der Streit um die Atomfrage wurde politisiert. Trotzdem wurden immer mehr Atomkraftwerke errichtet. So auch der sogenannte Druckwasserreaktor der dritten Generation in Grafenrheinfeld. Das AKW im unterfränkischen Landkreis Schweinfurt ging 1981 ans Netz und hatte eine Leistung von rund 1350 Megawatt. Betreiber der Anlage mit den zwei 104 Meter hohe Kühltürmen war die Firma PreussenElektra.
Ein einschneidendes Erlebnis gab 1986 den Atomgegnern durch den Reaktorunfall in Tschernobyl einen enormen Aufwind. Während der Supergau für die CSU unter Helmut Kohl kein Grund war, aus der Kernenergie auszusteigen, kommt mit Klaus Töpfer eine Wende in die politische Gesinnung. Er lässt die beiden Kernkraftwerke der DDR stilllegen.
Nach einigem Hin und Her um den Ausstieg aus der Atomenergie, ändert Angela Merkel dann doch ihre Position zum Thema, als sich die Katastrophe im japanischen Fukushima ereignet. Sie verkündet das Aus der deutschen Atomkraftwerke bis 2022.
Daraufhin veranlasste die EU einen Stresstest für Kernkraftwerke, den die Anlage in Grafenrheinfeld mit der Bemerkung nicht überstand, dass es nicht ausreichend gegen Erdbeben ausgelegt sei. 2015 ging Grafenrheinfeld dann mit der Begründung „unrentabel“ endgültig vom Netz. 2018 gab das Bayerische Staatsministerium für Umwelt dann grünes Licht für den Abbau der Anlage.
Rückbau der Anlage
Seit Juni 2021 geht es beim Rückbau ins Eingemachte. Ende 2023 wurde endlich der 380 Tonnen schwere Reaktordruckbehälter aus der Anlage gehoben, nachdem bereits im August die wasserführenden Systeme, die für das Brennelementlagerbecken maßgeblich waren, entleert wurden. Für den Herbst 2024 ist die Sprengung der beiden Kühltürme geplant. Sie werden also nicht mehr lange eines der – wahrscheinlich eher unbeliebten – Erkennungszeichen der unterfränkischen Gemeinde sein.
Naturschutz in Unterfranken
Sieht man sich die Aktivitäten bezüglich des Naturschutzes in Deutschland an, findet man erstaunlich früh eine herausragende Pionierarbeit in Unterfranken. Das naturwissenschaftliche Interesse, das durch die Aufklärung und den Humanismus geweckt wurde, erlangte an der Universität Würzburg eine besondere Gewichtung.
Bemerkenswert ist aber vor allem, dass bereits 1652 die Gründung der ersten wissenschaftlichen Gesellschaft für Naturforschung namens Leopoldina in Schweinfurt erfolgte. Diese existiert bis heute, allerdings hat sie ihren Sitz jetzt in Halle an der Saale. Auf dieser wissenschaftlichen Basis kam es später im Zuge der Industrialisierung und ihren Auswirkungen auf die Natur zur Gründung der ersten Naturschutzgebiete im unterfränkischen Raum.
Die ersten NSG in Unterfranken
Kleinere Urwaldreste mit alten Eichen und Buchen im Spessart wurden zu Reservaten deklariert. 1935 hatten bereits etwa 350 Landschaftsbereiche Unterfrankens einen Schutzstatus, auch wenn dieser noch keine konkretere Rechtsgrundlage besaß. Hierzu gehörte beispielsweise das Schwarze Moor in der Rhön.
Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es dann, den Naturschutz in Deutschland neu aufzubauen. Und so dauerte es auch sieben Jahre, bis zwei weitere Naturschutzgebiete im Norden Frankens ausgewiesen wurden. Nachdem das Zeubelrieder Moor und der Gangolfsberg unter Schutz gestellt worden waren, folgten ihnen zwei Jahre später der Altenbachgrund und 1959 der Lösershag im Landkreis Bad Kissingen.
Ende 1965 gelang es, große Teile des Spessarts als ersten Naturpark in Bayern auszuweisen, womit Unterfranken eine Vorreiterrolle im Naturschutz Bayerns einnahm.
Heute zählen wir 138 Naturschutzgebiete in Unterfranken, hinzu kommen fünf Naturparke und unzählige Landschaftsschutzgebiete, FFH-Gebiete, Geotope, Naturdenkmäler und Vogelschutzgebiete.
Naherholungsanlage Altmainschleife Nord
Nahe Grafenrheinfeld erkennt man noch immer den alten Mainverlauf in Form der Altmainschleife Nord. In dem 34 Hektar großen Naherholungsgebiet reihen sich der Glöckle See, der Petri-Heil-See, der Leonhard-See, der Schon See und der Kleine Waldsee. Bademöglichkeiten für die Anwohner und Besucher bietet ein Naturbadesee.
Öffnungszeiten:
- Badesaison vom 15 Mai bis 15. September
- täglich von 9 bis 19 Uhr
- Gummiboote und Luftmatratzen in der Badezone erlaubt
- Sanitäranlagen vorhanden
- Hunde leider nicht erlaubt
Wer heute in der Sportanlage Fußball oder Tennis spielt, ahnt vielleicht gar nicht, dass er sich hier genau im früheren Mainbett befindet. Dahinter liegt die Altmainsporthalle, Schießsportanlage und die Reitanlage
Der Main und seine Bedeutung für Grafenrheinfeld im Laufe der Jahrhunderte
Es gibt einen wirklich interessanten Film über den Main bei Grafenrheinfeld auf YouTube für alle, die noch mehr erfahren möchten:
Wanderung im Naherholungsgebiet Altmainschleife Nord
Wegbeschreibung
Die Rundwanderung beginnt auf dem Parkplatz am See am Ende des Hermaswegs und führt durch die Seenlandschaft am Altmainarm Nord bis zum Main und auf der anderen Seite wieder zurück. (Detaillierte Wegbeschreibung zum Download siehe weiter unten).
Route
Höhenprofil
Details
- Start/Ziel: Parkplatz am Ende des Hermaswegs
- Länge: 5,4 km
- Markierung: keine einheitliche Markierung
- Dauer: 1,5 Stunden
- Schwierigkeit: mäßig
- für Kinderwagen/Buggy geeignet: bedingt (einige Abschnitte durch Wiesenweg)
- Aufstieg: 40 m
- Abstieg: 39 m
- DOWNLOAD Karte als pdf: Seenrundweg-Grafenrheinfeld-Karte.pdf
- DOWNLOAD Wegbeschreibung als pdf: Seenrundweg-Grafenrheinfeld-Beschreibung.pdf
GPX-DATEN FÜR GPS-GERÄTE UND WANDER-APPS
So funktioniert´s: Anleitung zum Download und Importieren in eine Wander-App oder ein mobiles GPS-Gerät
Essen und trinken
Gleich in der Nähe des Parkplatzes am See gibt es eine Gaststätte. Weitere Einkehrmöglichkeiten sind in Grafenrheinfeld zu finden, die sich wunderbar mit einer Besichtigung der Altstadt verbinden lassen.
- Vicinante Pizzeria, Hermasweg 2
- Eiscafé Bassanese, Marktplatz 2
- Alte Amtsvogtei (Pizzeria), Kirchplatz 4
- Pizzeria Ai Due Galli, Hauptstr. 5
Wie komme ich zum Naherholungsgebiet Altmainschleife Nord?
A73
Von der A73 Nürnberg-Suhl aus nehmen wir die Abfahrt Schweinfurt und fahren auf der A70 weiter. Nach etwa 53 km fahren wir an der Ausfahrt 7 ab und halten uns Richtung Volkach. Gleich die nächste Ausfahrt fahren wir wieder ab und biegen bei nächster Gelegenheit nach Grafenrheinfeld ab.
Parken
Am Ende des Hermaswegs in Grafenrheinfeld gibt es einen Parkplatz (Parkplatz am See). Direkt daneben liegt ein Wohnmobilstellplatz (kostenpflichtig), auf dem ihr auch übernachten könnt.
Fazit
Vor allem in Frühjahr und Herbst, wenn hier an den kleinen Seen im Naherholungsgebiet Altmainschleife Nord unzählige Vögel auf ihrem Weg in die Sommer- oder Winterquartiere in Grafenrheinfeld einen Zwischenstopp einlegen, lohnt sich ein Besuch. In den Sommermonaten solltet ihr Badesachen mitnehmen, um euch im See abzukühlen. Ansonsten ist die Wanderung zu jeder Jahreszeit ein echtes Erlebnis.