Spricht man von Wildnis, so ist diese wahrscheinlich am ehesten in einem der Moore in Deutschland zu finden. Eine der schönsten Moorlandschaften liegt bei St. Andreasburg im Oberharz. Hier am Ufer des Oderteiches stehen einige der ältersten Kiefern im Nationalpark Harz. Bei der Rundwanderung von knappen 5 km könnt ihr nicht nur die skurrile Moorlandschaft am Oderteich bewundern, sondern auch alle Facetten des Waldwandels hautnah erleben.
Die Details zum Rundweg findet ihr weiter unten (Karte, GPS-Daten etc.)
Deutschlands älteste Talsperre: Oderteich Sankt Andreasberg
Als im 16. Jahrhundert im Harz überall nach Silber, Blei und anderen Metallen gesucht wurde, fand man auch bei Sankt Andeasberg vielversprechende Vorkommen. Rasch entwickelte sich das Städtchen zu einem der sieben Mittelpunkte für den Erzabbau im Harz. Für die Bergwerksanlagen benötigte man für den Betrieb der Wasserräder ausreichend Wasser, damit die Anlage auch bei Trockenheit weiterlaufen konnte.
Und genau zu diesem Zweck entstand um 1720 der Oderteich, der mit etwa 1,7 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen die Gruben rund drei Monate mit Wasser versorgen konnte. Mit seinen gewaltigen Granitblöcken, aus denen die Staumauer gebaut ist, war der Oderteich bis 1891 die größte Talsperre in Deutschland. Heute ist der Oderteich Teil des UNESCO Weltkulturerbe Bergwerk Rammelsberg und versorgt nicht mehr die Wasserräder, sondern Turbinen zur Stromerzeugung mit Wasser.
Zehn Granitobelisken
Damit der Teich im Winter nicht komplett zufriert und die Eisdecke die Wasserentnahme behindert, sind am Auslauf zehn Granitobelisken aufgestellt, die ihr je nach Wasserstand mal mehr mal weniger aus dem Oderteich herausragen seht.
Natürlich gibt es auch Sicherheitsmaßnahmen gegen Hochwasser. Damit das Staugewässer bei Starkregen und Schneeschmelze nicht einfach überläuft, sind heute, nachdem der eine nicht mehr ausreichte, zwei Auslässe, sogenannte Ausfluten eingerichtet. Außerdem gibt es zahlreiche Wehre, um den Wasserstand innerhalb des Moores zu regulieren.
Frau Holle lässt grüßen
Was wäre der Harz ohne Hexen, Teufel und Märchen? Und so gibt es natürlich auch zum Oderteich eine Sage, die wir euch unbedingt erzählen möchten:
Vor langer, langer Zeit – an die Staumauer war noch nicht einmal im Ansatz zu denken – verliebte sich Frau Holle hier am Brocken in einen jungen Mann namens Odin. Als Odin schließlich starb, blieb seine Seele immer in der Nähe seiner geliebten Frau Holle. Diese war so auf Odin fixiert, dass sie ihre Arbeit vernachlässigte.
Darüber war Gott sehr erzürnt, sodass er Odins Seele mit einem Fluch belegte: Fortan sollte sie von Berg zu Tal, vom Himmel zur Erde bis in alle Ewigkeit rastlos umherirren. Und so fließt sie mit der Oder seitdem stetig durch den Oderteich.
Bis heute steigt Frau Holle einmal im Jahr aus dem Odertal hinauf in die Berge und weint dort bitterlich um Odin. Ihre Tränen fließen dann hinab ins Tal und sammeln sich in den Mooren um den Oderteich. Es heißt, wer ihre Tränen auffängt, der wird reichlich belohnt und die Tränen verwandeln sich in wunderschöne Perlen.
Fichtensterben im Nationalpark
Der Klimawandel mit seinen Hitzewellen, der anhaltenden Trockenheit und dem anschließenden Borkenkäferbefall hat auch vor den Fichten am Oderteich nicht Halt gemacht. Unzählige Bäume sind daher abgestorben. Das Hochland zwischen Brocken, Torfhaus und Sankt Adreasberg ist seit vielen Jahren von kahlen silberfarbenen Fichtenstämmen geprägt.
Der Wald stirbt nicht
Im Nationalpark Harz lautet das Motto: Natur Natur sein lassen. Und deshalb wird hier nichts gegen den Borkenkäfer unternommen und die dürren Fichtenleichen verbleiben zu einem Großteil im Wald. Dieses Landschaftsbild mag für uns zwar etwas befremdlich wirken, für Tiere und Pflanzen ist dieses Totholz jedoch ein wichtiger Lebensraum. Zwar sterben die Fichten, der Wald ist allerdings so artenreich wie nie zuvor. Im Laufe der Zeit darf sich im Nationalpark ein Urwald entwickeln, der nicht von Menschenhand, sondern einzig von der Natur geformt wird.
Die ältesten Fichten im Nationalpark stehen am Oderteich
Nicht überall an den Ufern des Oderteichs sind die Fichten gestorben. Wer genauer hisieht, entdeckt am Ostufer einige der ältesten Fichten im Nationalpark Harz. Über 300 Jahre alt sind die riesigen Urbergfichten, denn schon lange vor der Gründung des Nationalpark Harz wurde die Fläche schon nicht mehr von Menschen bewirtschaftet. Ihre Zweige erscheinen kurz und sind im Gegensatz zu den normalen Fichten nach unten geneigt, um dem enormen Schneedruck im Winter entgegenzuwirken und nicht zu brechen.
Der junge, wilde Wald
Waldstücke, die gerade abgestorben sind, wechseln auf dem Rundweg um den Moorsee mit einem jungen Wald aus Fichten und Ebereschen ab. Der Wald erneuert sich rasant. Und das alles in kürzester Zeit und ohne jegliches Dazutun des Menschen. Inzwischen sind die Bäume am Oderteich schon wieder mehrere Meter hoch gewachsen und weitere stehen in den Startlöchern.
Das viele Totholz dient den Fichtenkeimlingen als Sprungbrett für eine neue Waldgeneration. Denn während es die langsam wachsenden Keimlinge der Fichten es auf dem Boden gegen Gräser, Heidelbeeren und Brombeergebüsche schwer haben, können sie auf dem alten Stumpf der Artgenossen frei dem Licht entgegenwachsen.
Biotop Moor
Immer wieder führt der Weg auf Holzbohlen über den staunassen Boden im Moor. Auch hier sterben Bäume ab, weil sich langsam ein mooriger Bereich entwickelt, der für die meisten Pflanzen und Bäume lebensfeindlich ist. Im dauernassen, sauren Untergrund können nur sehr wenige Pflanzen existieren. Solche Spezialisten habe sich so stark angepasst, dass sie nirgendwo anders überleben können. Dazu gehören nicht nur Moose, sondern auch der Rundblättrige Sonnentau.
Ein wenig Unterstützung
So ganz kann der Mensch dann doch seine Finger nicht aus der Natur herauslassen. An einigen Stellen findet ihr deshalb eingezäunte Bereiche, an denen Buchen, Birken und Ebereschen gepflanzt wurden. Sie sollen die Kiefern ergänzen, damit sich ein widerstandsfähiger Mischwald entwickeln kann. Und weil die jungen Laubbäume beim heimischen Wild so beliebt sind, schützen sie eine zeitlang Zäune vor dem Verbiss.
Bergbäche im Harz
Im nördlichen Bereich des Oderteichs überqueren wir zunächst die Oder, nach etwa 500 Metern dann die Rotenbeek. Auffällig an den beinden Bächen ist die rotbraune Farbe, die nicht von einem hohen Gehalt an Eisen stammt, wie man vielleicht vermuten könnte, da es sich beim Harz um eine Bergbauregion handelt, in der der Eisengehalt recht hoch ist. Und auch die seltsamen Schaumkronen, die sich an den kleinen Wasserfällen bilden, sind keine Verschmutzungen, sondern natürlichen Ursprungs.
Die Harzer Bergbäche sind trotz ihres seltsamen Aussehens sehr sauber. Die Farbe sagt in diesem Fall etwas darüber aus, woher das Wasser eigentlich kommt. Sind sie braunorange, stammt es aus einem der vier Moore, die es hier im direkt Umkreis noch gibt. Dazu gehört auch das Große Torfhausmoor, das sich direkt am legendären Goetheweg von Torfhaus auf den Brocken befindet.
Warum ist das Wasser braun?
Die Oder entspring einem moorigen Gebiet im Osten. Dort speichert der Boden das Wasser wie ein Schwamm und gibt es nur sehr langsam wieder ab. In ihm sind dann hohe Mengen an Huminsäuren gelöst, die das Wasser rotbraun färben. Neben den Huminsäuren lösen sich auch Eiweiße im Wasser. Diese werden als Schaumkrone sichtbar, wenn das Wasser im Bach stark verwirbelt wird.
Das gleiche Phänomen tritt an der Rotenbeck auf, die ihr auf einer Brücke etwa 500 Meter weiter überquert. An der Rotenbeck habt ihr den nördlichsten Bereich des Oderteiches erreicht.
Das Westufer
Ab jetzt geht es am Westufer entlang Richtung Süden. Wir folgen dem Bachlauf der Sonnenkappe. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf das gegenüberliegende Ufer. Am Zufluss der Rotenbeek bis hin zum Westufer finden wir neben den Fichten zahlreiche junge Laubbäume wie Birken, Weiden und Ebereschen.
Am Wegesrand findet man im Harz überall an den Mooren Entwässerungsgräben mit kleinen Sperrvorrichtungen, die den Wasserabfluß regulieren können. Langsam aber sicher findet auch hier ein Wandel statt. Durch den steigenden Wasserpegel sterben die Bäume ab und die für Moore typischen Moose und an den feuchten Untergrund angepassten Pflanzen siedeln sich wieder an.
Sonnen & baden
Am Ost- und Westufer sind direkt hinter der Talsperre Bereiche als Liegewiese und Badebereich markiert. Hier könnt ihr nach einer anstrengenden Wanderung die Natur genießen und euch ein wenig abkühlen.
HINWEIS: Rund um den Oderteich hat sich im Laufe der Zeit ein empfindliches Ökosystem eingestellt. Für viele Tiere und Pflanzen ist das Ufer ein wichtiger Lebensraum. Bitte beachtet die Hinweisschilder, verlasst die Wege nicht und nehmt weder etwas mit, noch lasst etwas da, was dort nicht hingehört!
Wanderung um den Oderteich
Wegbeschreibung
Wir starten unseren Rundweg an der Talsperre und überqueren zunächst auf der rechten Seite die Sperrvorrichtung auf einer Brücke. Dann halten wir uns links, wandern am Badebereich vorbei und halten uns über den verwurzelten Pfad immer am Ufer des Oderteichs entlang nach Norden. Teilweise führt der Pfad über Holzbohlen, später über einen breiteren Weg, vorbei am Oderzufluss.
An der Kreuzung im Norden geht es nach links, nach der Brücke über die Rotenbeek wieder links. Ab jetzt führt der Weg am Westufer entlang zurück zum Ausgangspunkt an der Staumauer. Der Rundweg ist mit großen Wegweisern auf Holz sehr gut ausgeschildert, verlaufen könnt ihr euch also nicht so leicht.
Route
Höhenprofil
Details
- Start/Ziel: Wanderparkplatz an der Hummel-Maaß-Hütte (B242, St. Andreasberg)
- Markierung: Rundweg Oderteich
- Länge: 4,6 km
- Dauer: 1,5 Stunden
- für Kinderwagen/Buggy geeignet: nein
- Aufstieg: 122 m
- Abstieg: 124 m
- Schwierigkeitsgrad: mäßig (Weg im vorderen Teil sehr matschig)
- DOWNLOAD Karte als pdf: Rundweg-Oderteich-Karte.pdf
TOUREN-DATEN FÜR GPS-GERÄTE UND WANDER-APPS
So funktioniert´s: Anleitung zum Download und Importieren in eine Wander-App oder ein mobiles GPS-Gerät
Essen und trinken
Auf dem Rundweg um gibt es keinerlei Möglichkeiten für eine Einkehr. Nehmt euch deshalb einen kleinen Snack und auf jeden Fall etwas zu trinken mit auf den Weg.
Anfahrt: Wie komme ich zum Oderteich
Wenn euch zwischen Clausthal-Zellerfeld und Braunlage auf der B242 haltet, kommt ihr automatisch am Oderteich vorbei.
Parken
An der B242 zwischen Braunlage und dem Skigebiet Sonnenberg findet ihr direkt an der Talsperre Oderteich und der Hummel-Maaß-Hütte einen großen, kostenlosen Parkplatz. Auf dem Wanderparkplatz können auch Wohnmobile parken, allerdings ist das Übernachten dort verboten.
Fazit
Zwar ist der Rundweg einmal rings um den Oderteich als leicht eingestuft, weil es kaum einmal richtig steil den Berg hinauf oder hinab geht, trotzdem ist die Strecke nicht zu unterschätzen. Gerade am Anfang kurz hinter dem kleinen Badebreich auf der rechten (östlichen) Seite des Ufers sind die Wurzeln der inzwischen abgestorbenen Fichten doch sehr holprig und schwer zu begehen. Zwischen den Wurzeln sind je nach Witterungsverhältnissen ausgeprägte Moorpfützen, die zum Teil etwas tiefer als knöchelhohe Wanderschuhe sind. Mit dem Kinderwagen kommt ihr hier auf keinen Fall durch und um sich keine nassen Füße zu holen oder den Knöchel zu verstauchen, ist schon gutes Schuhwerk und ein wenig Geschick notwendig. Für die Mühe lohnt der kurze Rundweg mit atemberaubender Natur.