Früher war das für große und auch schon kleine Kinder selbstverständlich: Jede freie Minute ging es raus in die Natur. Am liebsten in den Wald. Da lässt sich immer was neues entdecken, spielen, bauen, schnitzen. Abenteuer vor der eigenen Haustüre halt. Heute kennen sich unsere Kinder kaum noch im Wald aus. Umso besser, wenn sie Eltern haben, die sie schon von klein auf mitnehmen und ihnen alles zeigen. Denn nur was wir kennen, das lernen wir auch lieben und schätzen.
Lebensraum, Ökosystem und Grüne Lunge: Wälder
Wälder üben eine magische Anziehungskraft aus. Wald, das bedeutet für viele von uns Wildnis, Abenteuer, Geheimnis. Aber er lehrt uns auch schon von klein an Ehrfurcht. Ehrfurcht vor der Natur, vor dem Leben. Doch echten Urwald, in dem sich die Natur völlig ungestört – ohne Eingreifen des Menschen – entwickeln kann, gibt es in Deutschland nicht mehr.
Dennoch sind unsere Wälder der ideale Erlebnisraum für Kinder. Weder das iPad noch ein Freizeitpark können diese Art von Abenteuer und Erlebnis ersetzen. Der Wald, er weckt den Wissensdurst in Kindern – und stillt einen Teil von ihm auch, wenn wir uns als Eltern darauf einlassen.
Fangt am besten so früh wie möglich an, mit eurem Nachwuchs in den Wald zu gehen. Je jünger das Kind, umso einfacher ist es für die vielen wunderbaren Dinge zu begeistern. Das heißt aber nicht, dass das mit älteren Kindern nicht mehr funktioniert. Ihr müsst euch nur ein wenig an die unterschiedlichen Ansprüche für einen tollen Ausflug an das Alter eurer Kinder anpassen. Während die Kleinsten vielleicht gerne bunte Blätter, Eicheln und Kastanien im Herbst sammeln, kann man mit größeren schon einmal ein Quiz machen, in dem sie bestimmte Bäume finden oder erraten müssen.
Grüner Frieden
Viele von uns fühlen sich mit dem Wald tief verbunden. Doch unser Verhältnis zu ihm ist widersprüchlich und in stetigem Wandel. Während im Mittelalter große Teile des Waldes in Europa gerodet wurden und damit die Fläche dramatisch schrumpfte, wurden im 20. Jahrhundert riesige Gebiete mit schnell wachsenden Kiefern und Fichten bepflanzt, um möglichst hohe Profite zu erzielen. Allerdings haben sich die öden Einheitsforste als besonders anfällig für Krankheiten und auch die Klimaveränderung erwiesen. Heute pflanzt man deshalb wieder vermehrt klimataugliche Laubbäume.
Die meisten Wälder in Deutschland werden regelmäßig durchforstet und wirken dadurch wie aufgeräumt. Wir finden in ihnen nahezu keine alten Baumriesen, kaum Totholz, geschweige denn echte Wildnis. Während die dunklen Wälder früher bei den Menschen ein Gefühl der Furcht und zahlreiche Mythen und Sagen hervorgebracht haben, finden heute viele Menschen gerade dieses Chaos in den Urwäldern faszinierend.
Trotzdem ist es doch etwas verwunderlich, dass wir den Schutz der tropischen Regenwälder einklagen und unseren eigenen Wäldern in Deutschland nicht einmal annähernd die Chance lassen, alt zu werden und sich zu entfalten. Besonders toll sind solch artenreiche Wälder auch für Kinder, denn hier lässt sich wesentlich mehr entdecken als in einer reinen Kieferplantage. Aber eine Märchenstunde (vielleicht Hänsel und Gretel) auf einer Decke unterm Blätterdach, finden bestimmt alle Kinder spannend.
Wälder erzählen spannende Geschichten
Nirgends lässt sich in der Natur der ewige Kreislauf von Leben und Sterben so gut beobachten wie in einem wilden, unbewirtschafteten Wald. Eichen, Buchen und andere Bäume wachsen zu wahren Baumriesen heran und bilden dichte Kronen, durch die im Sommer nur feines Streulicht den Boden berührt.
Die raue, aufgeplatzte Borke, Äste und Wurzeln bieten Vögeln und unzähligen anderen Tieren Lebensräume. Wenn ihr genau hinseht, findet ihr bestimmt etwas interessantes. Wir haben es uns angewöhnt, ein Buch mitzunehmen, das die häufigsten Pflanzen- und Tierarten kindgerecht erklärt, damit wir immer mal wieder nachsehen können, wenn wir etwas (uns) unbekanntes gefunden haben.
Irgendwann im Alter stürzen die alten oder maroden Bäume dann in einem Sturm um. Damit schlagen sie das nächste Kapitel im Kreislauf Wald auf. Denn über das Totholz machen sich zahllose Pilze, Mikroorganismen oder auch Insekten her, zerlegen es in seine Bestandteile und schaffen damit wieder die Grundlage für neues Leben. Ein endloses Leben und Sterben, fressen und gefressen werden. Und auf der frei gewordenen Fläche wachsen auf nährstoffreichem Boden wieder neue Bäume zum Himmel empor.
Mit offenen Augen in die Natur
Der Wald ist mehr als nur ein Lieferant von Holz und Nahrung. Er ist ein riesiges Ökosystem, Lebensraum für Pflanzen und Tiere, ein Kunstwerk der Natur. Ein Spaziergang weckt den Entdecker- und Abenteuersinn in Kindern. Während für die meisten Kinder gerade, breite Wege furchtbar langweilig sind, gibt es auf verschlungenen, schmalen Pfaden überall etwas zu erforschen. Alleine schon deshalb, weil man nicht weiß, was einen nach der nächsten Wegbiegung alles so erwartet …
Aber lauft nicht einfach in einem großen, fremden Gehölz einfach so ziellos durch die Gegend. Das mag am Anfang spannend sein, wenn ihr euch verlauft ist aber dann der Stress schnell groß und der Spaß vorbei. Am besten geht das mit einem GPS-Gerät. Damit findet ihr ganz einfach wieder zurück – oder auch spannende versteckte Flüsse und Felsen.
Abenteuer Waldspaziergang
Der Wald ist ein Abenteuer für die Sinne – nicht nur für die Kleinen. Man muss sich nur darauf einlassen. Diese Vielfalt an Farben, Formen, Gerüchen und Räumen kann mit Kindern auf spielerische Weise entdeckt werden. Die klare Luft riechen, Tannenzapfen befühlen, Vögel beobachten und die vielen Geräusche in sich aufnehmen. War das da hinten ein Hase, der da hinterm Baum verschwindet? Einheimische Tiere kennenlernen, Spuren zu lesen – ein faszinierendes Erlebnis für Groß und Klein!
Leider haben die meisten Kinder viel zu selten die Gelegenheit, ihre Umgebung zu erforschen. Dabei warten hier doch so viele Geheimnisse darauf, entdeckt zu werden. Aber es gibt große Unterschiede. Ein Spaziergang durch einen Nadelforst ist etwas völlig anderes als eine Wanderung durch einen Laubwald. Kinder lernen nicht nur die verschiedenen Bauarten kennen, sondern auch anhand von gefällten Exemplaren das Alter über die Jahresringe bestimmen.
Überall krabbeln Ameisen herum, die ein Vielfaches ihres eigenen Körpergewichtes tragen können. Wenn du dich selbst nicht so besonders gut auskennst, gibt es vielerorts auch geführte Wanderungen. Ich empfehle ein gutes Buch über Tiere und Pflanzen im Wald, wo ihr schnell einmal nachschauen könnt, wenn ihr etwas nicht kennt.
Wenn ihr euch ruhig verhaltet, lassen sich auch sicherlich ein paar Tiere beobachten. Schnell fliegt ein Specht zu seiner Bruthöhle im Baum, um seine Jungen zu füttern oder ein Eichhörnchen klettert behände auf einen hohen Baum.
Und natürlich ist es immer ein Erlebnis, ein paar Blaubeeren oder Himbeeren zu sammeln und daraus später einen Pfannkuchen zu backen oder über ein leckeres Eis zu streuen. Natürlich dürfen auch ein paar gleich an Ort und Stelle gegessen werden (auch wenn man sie eigentlich vorher waschen sollte). Allerdings ist davon abzuraten, gleich mit Pilzen anzufangen. Selbst erfahrene Pilze-Sammler können nicht immer die giftigen von den essbaren unterscheiden.
Verhaltensregeln für den Besuch im Wald
Ein Spaziergang an der frischen Luft macht hungrig. Was gibt es schöneres, als ein Picknick auf einem großen Stein oder umgefallenen Baumstamm. Schließlich brauchen wir noch genügend Kraft für den Nachhauseweg. Dass wir unseren Müll wieder einpacken und mit nach Hause nehmen, sollte selbstverständlich sein. Auf keinen Fall lassen wir etwas im Wald liegen.
Genauso wichtig ist es, schon bei Kindern das Bewusstsein zu schaffen, dass wir als Menschen nur Gäste in der Natur sind. Deshalb verhalten wir uns umsichtig. Die ganze Zeit herumzuschreien und alles niederzutrampeln ist tabu, schließlich dürfen wir die Tiere nicht verschrecken. Ein normales Gespräch, der eine oder andere Freudenschrei oder auch ein fröhliches Liedchen stören niemanden – schon gar nicht die Tiere.
Natürlich gilt es nicht nur die Tiere zu schützen, sondern auch alle Arten von Pflanzen und Bäumen. Deshalb reißen wir keine Pflanzen aus, brechen Äste ab oder trampeln ganze Areale von empfindlichen oder geschützten Pflanzen nieder. Da vor allem Jungs gerne Schwerter und andere Waffen aus Ästen basteln, könnt ihr auch ein Taschenmesser mitnehmen, um ein paar Äste zu bearbeiten. Aber bitte verwendet dazu nur bereits abgestorbenes Material. Um die empfindliche Natur so wenig wie möglich zu belasten, solltet ihr in Schutzgebieten immer auf den Wanderpfaden und Wegen bleiben.
Beeren und Früchte im Wald
Und eine wichtige weitere Regel lautet: Es wird nichts abgepflückt oder genascht, ohne dass ein Erwachsener dies vorher genau betrachtet hat. Auch wenn die Beeren oder Früchte noch so verlockend erscheinen, denn es gibt nicht nur essbare Früchte, sondern auch eine Vielzahl giftiger Beeren. Deshalb lieber zweimal hinsehen oder im Buch nachschlagen, wenn du unsicher bist.
Auch Blaubeeren nehmt ihr am besten zuerst mit nach Hause, um sie gründlich zu waschen. Denn nur so kann eine Infektion mit dem Fuchsbandwurm vermieden werden. Walderdbeeren, Brombeeren und Himbeeren sind in der Regel kein Problem. Schließlich wäre es ja auch langweilig, wenn man gar nichts direkt vom Strauch essen dürfte. Aber denkt daran, dass sich in den Sträuchern gerne Zecken aufhalten.
Was gibt es sonst noch zu beachten?
- kein Feuer machen (für die Eltern: auch nicht rauchen)
- den Hund an der Leine führen
- keine Tiere fangen oder verletzen, geschweige denn töten
- keine Tiere füttern
- wegen der Zeckengefahr am besten Kopfbedeckung und lange Kleidung tragen
- bei Sturm und Gewitter schnellstmöglich den Wald verlassen
- keinen unnötigen Lärm machen
- niemals unbekannte Früchte und Pilze essen
Ausrüstung für eine längere Tour mit Kindern
Natürlich benötigt ihr für einen Waldspaziergang keine professionelle Wanderausrüstung oder dergleichen. Festes Schuhwerk, lange Kleidung und ein Rucksack sind aber immer notwendig. In den Rucksack könnt ihr nicht nur etwas zu trinken oder ein paar Sachen für ein tolles Picknick packen, sondern am besten auch einen Tier- und Pflanzenführer. So könnt ihr direkt vor Ort nachschlagen, wenn ihr mal nicht sofort wisst, was das für eine Pflanze oder Tier ist, das ihr so spannend findet. Wir haben es uns außerdem angewöhnt, ein paar Feuchttücher einzupacken, damit die klebrigen Finger abgewischt werden können, wenn gerade kein Bach zum Händewaschen in der Nähe ist.
Wer mit dem Nachwuchs unterwegs ist, sollte natürlich auch immer eine kleine Box für Fundstücke einpacken, in die Federn, leere Schneckenhäuser oder der eine oder andere Glitzerstein gelegt wird. Ein Baumwollbeutel ist der perfekte Behälter für Blätter, Kastanien, Eicheln oder Tannenzapfen. Und es schadet auch nicht, ein Taschenmesser dabei zu haben. Am besten nehmt ihr auch eine Tüte für eure Abfälle mit, damit ihr die Reste eurer Mahlzeiten nicht einfach so in den Rucksack werfen müsst.
Langeweile ade!
Die Zeit für den Waldspaziergang solltest du immer an das Alter deines Kindes anpassen. Bei kleinen Kindern reicht etwa eine Stunde in der Regel aus. Natürlich kommt es immer auf das einzelne Kind an. Während die einen schon mit vier stundenlang Ameisen beobachten können, sind andere bereits nach kürzerer Zeit nicht mehr bei der Sache.
Grundschulkinder hingegen können ohne Weiteres schon fünf bis zehn Kilometer wandern, wenn die Zeit gut eingeteilt ist und genügend Pausen integriert sind. Am besten sind landschaftlich abwechslungsreiche Gehölze mit dem einen oder anderen Highlight wie ein paar Felsen oder einem kleinen Bach. An einem Bach können selbstgebaute Schiffchen um die Wette fahren. Richtig spannend wird es für die meisten auch, wenn es etwas zu klettern gibt.
Fazit
Im Wald gibt es immer etwas zu entdecken. Jeder Spaziergang – egal ob mit kleinen oder größeren Kindern – birgt ganz besondere Erlebnisse in sich. Wir wünschen dir viel Freude dabei, diese gemeinsam mit deinem Nachwuchs zu erkunden.