Verwunschene Schlösser sind nur schwer zu finden. Im Norden des Landkreises Ansbach liegt die Gemeinde Rügland mit ihren Ortsteilen. Rügland ist zwar eine kleine, dafür aber ganz besondere Gemeinde im Naturpark Frankenhöhe. Denn hier findet ihr eines der wenigen Wasserschlösser Mittelfrankens, das Wasserschloss Rügland.
Märchenhaft und romantisch – das Wasserschloss Rügland
Schlösser und Burgen sind der Inbegriff längst vergangener, feudaler Zeiten. Während Burgen im Mittelalter hauptsächlich Abwehrzwecken dienten, entstanden die Schlösser in Deutschland erst deutlich später. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde dem Adel eine Burg als Wohnstätte zu unbequem. Ein neuer Sinn für Repräsentation und Luxus machte die Burg als Behausung unbrauchbar. Und da sich auch die Waffentechnik weiterentwickelte, benötigte man auch keine ganz so wehrhaften Verteidigungsanlagen mehr.
Noch heute kann man viele dieser prächtigen Stammsitze von Königen und einflussreichen Adelsgeschlechtern besuchen und sich für einen kurzen Augenblick selbst einmal wie ein König, eine Prinzessin oder auch ein Ritter fühlen.
Zu Gast bei den Freiherren von Crailsheim
Längst haben die Pracht- und Wehrbauten ihre ursprüngliche Funktion verloren. Dafür sind sie zunehmend zu Touristenattraktionen geworden. Allein in Deutschland können die prunkvollen Gemäuer jährlich 25 Millionen Besucher verzeichnen. Aber warum sind Schlösser, Burgen und sogar Ruinen eigentlich so beliebt? Das liegt wohl einerseits daran, dass die imposanten Bauwerke – schon von Weitem sichtbar – an markanten Orten in oft einzigartiger Landschaft stehen und damit einfach schon per se die Blicke auf sich ziehen.
Andererseits werden wir schon sehr früh in unserer Kindheit geprägt. Kaum ein Märchen der Gebrüder Grimm oder ein Film von Disney kommt ohne eine Prinzessin, einen König oder einen Ritter aus. Kein Wunder also, dass wir uns nach prächtigen Festsälen, einsamen Turmzimmern, geheimnisvollen Gängen oder vielleicht sogar Ketten rasselnden Schlossgespenstern sehnen.
Der Rangau – Zentrum der Burg- und Markgrafen
Die Landschaft zwischen Aisch im Norden und Altmühl im Süden bezeichnet man auch als Rangau. Sie erstreckt sich westlich der Metropolregion Nürnberg über die Frankenhöhe. Im Mittelalter gehörten große Teile der Region zum Territorium der Burggrafen von Nürnberg – den Hohenzollern. Das Zentrum ihrer Herrschaft war jedoch Ansbach, die Stadt, in der die Markgrafen residierten. Aus dieser Zeit stammt eines der schönsten Wasserschlösser aus der Region: das Wasserschloss Rügland.
Neben den berühmten Hohenzollern gab es noch weitere Adelsgeschlechte, die im Raum Ansbach herrschten. Dazu gehört vor allem das fränkische Uradelsgeschlecht derer von Crailsheim aus der gleichnamigen Stadt im Hohenloher Land. Im frühen 18. Jahrhundert erhielt das Adelsgeschlecht den Reichsfreiherrenstand.
Wasserschloss Rügland
Idyllisch eingebettet im Methlachtal liegt das Wasserschloss Rügland. Seit 1584, als Ernst von Crailsheim das Anwesen nebst nahegelegene Burg Rosenberg von seinem Vetter kaufte, befindet sich das Schloss ununterbrochen im Familienbesitz. Wie auch Schloss Schillingsfürst ist das Wasserschloss Rügland hufeisenförmig als dreiflügelige Anlage erbaut. Es versteckt sich hinter den sanften Hügeln des Naturparks Frankenhöhe ringsum, der verschlafenen, ländlichen Idylle des gleichnamigen Ortes.
Eine Collage verschiedener Stilepochen
Sieht man einmal genauer hin, wirkt das Schloss Rügland wie eine Fotomontage. Wer über die Brücke und durch den Torbogen in den Innenhof vordringt, prallt auf völlig unterschiedliche Facetten des Schlosslebens und der Geschichte, bestehend aus einem alten und einem neuen Schloss, die perfekt zu einem Gesamtensemble arrangiert wurden.
Altes Schloss
1584 kaufte Ernst von Crailsheim den Besitz von seinem Vetter, der Statthalter in Ansbach war. Die Reste des alten Wasserschlosses wurden 1611 durch den heute als Altes Schloss bezeichneten Gebäudeteil ersetzt. Heute ist von ihm noch der Nordflügel erhalten, ein zweigeschossiger Satteldachbau mit massivem Erdgeschoss, steingefasster Toreinfahrt und Fachwerkobergeschoss. Das Alte Schloss enthält noch heute die einstige Wachstube und eine Kapelle. Ein wenig älter dürften wohl die angrenzenden Wirtschaftsgebäude sein. Man datiert sie in die Zeit um 1600.
Neues Schloss
Rund 100 Jahre später ließ Hannibal Friedrich Freiherr von Crailsheim das Neue Schloss bauen. Es bildet den Mittel- und Südflügel des hufeisenförmigen Wasserschlosses und hat ein völlig anderes Erscheinungsbild als das Alte Schloss. Über einem Dreiecksgiebel mit Wappen aus Stuck und einem hofseitigen Säulenportal thront ein schickes Mansardwalmdach. Der erste Stock des Neuen Schlosses dient heute als Familienmuseum derer von Crailsheim, die das Schloss nach wie vor in den Sommermonaten bewohnen.
Während die Rosenburg im 30-jährigen Krieg zerstört wurde und heute nur noch als Ruine zu bestaunen ist, wurde das Schloss zu Rügland zum Hingucker. Hannibal von Crailsheim verwandelte die recht nüchterne Burganlage um 1713 in ein barockes Wasserschloss mit schicken Gartenanlagen drumherum. Vom Methlachbach gespeist, umgibt das Schloss ein breiter Wassergraben.
Für die Anlage wurde ein Damm zur Ansbacher Straße hin aufgeschüttet. Unterhalb der Brücke liegen Wehranlagen, die den Zufluss zum Schlossweiher regulieren. Die Nutzung der Häuser gegenüber dem Wasserschloss stand schon immer in engem Zusammenhang mit der Gutsherrschaft. So berichtet man beispielsweise auch von einem kleinen Gefängnis in einem der Gebäude.
Mehr Glück als Verstand oder: Eine rätselhafte Begegnung
Es ist Sonntagmorgen, als ich beim Wasserschloss Rügland ankomme. Da das Anwesen nach wie vor in Privatbesitz ist, schleiche ich heimlich drumherum, um unbemerkt ein paar Fotos zu ergattern. Schließlich möchte ich nicht zu den aufdringlichen Paparazzi gehören, die sich ungebeten bis ins Schlafzimmer anderer Menschen schleichen. Gerade über den schmalen Stichweg bei der Brücke zum Tor angekommen, nehme ich eine Bewegung wahr und schaue, dass ich mich schleunigst davonschleiche, um nicht wegen meiner Fotos zum sonntäglichen Verdruss der Bewohner zu werden.
Schon fast um die Ecke, ruft mir ein Herr mittleren Alters nach, was ich denn dort mache. Ich zucke zusammen und ein Funke schlechten Gewissens regt sich in den hinteren Hirnwindungen.
Privatführung durch das Familienmuseum Schloss Rügland
Doch statt wilder Schimpftiraden ertragen zu müssen, werde ich spontan auf eine Schlossbesichtigung eingeladen. Ich kann mein Glück kaum fassen! In den nächsten zwei Stunden erhalte ich eine Privatführung durch die alten Gemäuer, ehemaligen Gemächer und Säle, nebst Geheimgängen für das damalige Personal. Darf mir die (echte!) alte Luther-Bibel ansehen, die achtlos und reparaturbedürftig auf dem Hocker neben der Anrichte liegt, die wunderschönen alten Tapeten, Sekretäre und Kommoden bewundern.
Ich bin überrascht, denn das Schloss wirkt alles andere als verstaubt, auch wenn hier und da vielleicht ein paar Reparaturarbeiten notwendig wären. Auch der typische muffige Museumscharakter ist nirgendwo wahrzunehmen. Vielmehr wirken die Räume gemütlich, fast noch bewohnt. Als wäre die Hausdame gerade im Begriff, eine Tasse Tee im Salon zu sich zu nehmen.
Mehr als nur ein Stück alten Kunsthandwerks
Herzstück des alten Mobiliars ist für mich ein wertvoller Stickschrein mit historischen Handarbeiten, den die Bürgerliche Adelheid von Wendel-Schratz ihrem „Jugendfreund“, dem Grafen Friedrich Krafft von Crailsheim anlässlich seines 60. Geburtstags anfertigte. Nichts im offiziellen Lebenslauf der Dame deutet auf eine Verbindung zum Adelsgeschlecht von Crailsheim hin. Und umgekehrt auch nicht.
Es ist lediglich bekannt, dass Adelheid von Wendel-Schratz 1843 als Tochter des Regierungsrats Wilhelm Matthias Schratz geboren wurde und eine exklusive Schulbildung in Erlangen genoss. 1870 vermählte sie sich mit dem Sohn des Regierungsdirektors von Wendel, der 1885 starb und sie als Witwe zurückließ. Dennoch wissen verschiedene Quellen zu berichten, dass die gebildete Künstlerin flammende Verehrerin und Geliebte des Grafen war.
Zurück blieb der kostbare Schrein als Andenken ihrer tiefen Zuneigung im Wasserschloss Rügland. Noch heute könnt ihr die handgearbeiteten Bilder aus Stoff und schmückendem Beiwerk ansehen, die die ehemalige „Freundin“ des Grafen von Crailsheim gefertigt hat. Und auch dann, wenn ihr kein Freund von Kitsch und alter Handwerkskunst seid, wird euch die liebevolle Detailarbeit beeindrucken.
Adresse
Wasserschloss Rügland
Ansbacher Str. 8
91622 Rügland
Führungen
Dass ihr auch so viel Glück habt wie ich und eine private Führung bekommt, ist sehr unwahrscheinlich. Wer kein Risiko eingehen möchte, kann eine offizielle Führung von Ende Mai bis Ende September nach vorheriger Vereinbarung vereinbaren. Kontaktiert dazu die Gemeinde unter:
- E-Mail: gemeinde@ruegland.de
- Homepage: ruegland.de
Rügland – das Dorf
Noch heute ist die historische Struktur Rüglands erkennbar. Im älteren Teil der Gemeinde an der Ruppershofer Straße sind die bäuerlichen Anwesen angesiedelt. Um das Wasserschloss herum liegen nicht nur Gebäude der Gutsverwaltung und der Pfarrhof, sondern vor allem die kleinen Häuser der Handwerker und Tagelöhner aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Viele der ehemaligen Gebäude sind heute leider nicht mehr vorhanden. So hatte Rügland dank der Familie von Crailsheim zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei Mühlen, eine Brauerei, ein Sägewerk und eine Lohmühle, in der Baumrinde zu Gerbstoff verarbeitet wurde.
Dorfkirche Sankt Magaretha
In frischem Gelb ist der Turm der heiligen Margaretha geweihte Kirche von überall in Rügland aus zu sehen. Um 1486 ließen die Vestenberger Grundherren die erste Kirche im Ort errichten.
Keine 100 Jahre später riss man sie wieder ab und errichtete in nur zwei Jahren eine neue im protestantischen Stil des markgräflichen Ansbacher Raums.
Die Kirche der Heiligen Margaretha ist letzte Ruhestätte der Familien von Crailsheim. Die letzte Bestattung in der Kirche fand allerdings schon im Jahr 1823 mit Ernst Ludwig Sebastian von Crailsheim statt.
Rügland damals und heute: Die Gläserne Stele
Zwischen Schloss und Kirche steht auf einem durch Pflastersteine angedeuteten Platz die gläserne Stele an der Ansbacher Straße mitten im Ortskern. Das vierflügelige Denkmal zeigt nicht nur folgenden Generationen von Rügländern anschaulich den historischen Schatz ihres Dorfes in der Zeit vom 19. bis in das 20. Jahrhundert.
Für eine Reise durch die Geschichte braucht man nur den Blick zwischen Original und Reproduktion hin und her wandern zu lassen. Viele Gebäude wie das alte Amtshaus gibt es heute nicht mehr. Es fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Mehr Glück hatte das Ritterhaus. Zwar landete eine 250 kg schwere Bombe genau in dessen Kamin. Sie explodierte aber nicht, als sie dort steckenblieb, sondern konnte entschärft werden.
Mythos Mittelalter: Das Ritterhaus
Erbaut wurde das Gebäude von Hauptmann Ernst Ludwig Sebastian von Crailsheim 1768. Später wurde es von einem Rittmeister und einem Regimentsquartiermeister erworben.
Aus diesem Grund erlangte das Haus den nostalgischen Beinamen Ritterhaus in der Bevölkerung, auch wenn – wie man dem Gebäude ansieht – niemals echte Ritter dort gewohnt haben können, denn dafür ist das Gebäude einfach noch zu jung. Nachdem es jahrelang als Gästehaus derer von Crailsheim fungiert hatte, diente es zunächst als Textilgeschäft, dann als Schreibwarenladen. Heute ist eine Filiale der Sparkasse dort ansässig. An der Seite führt eine Treppe in das beeindruckende, ganze vier Meter hohe Kellergewölbe hinab.
Fazit
Wer alte Schlösser und Burgen liebt, ist hier in Rügland genau richtig. Fernab der üblichen Touristenströme bestechen die Räumlichkeiten im Wasserschloss mit einer bezaubernden Privatsphäre, die ihresgleichen sucht. Meldet euch doch einfach mit ein paar Freunden für eine Führung an, dann könnt ihr das märchenhafte Wasserschloss genauer kennenlernen.
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Hallo, ich bin der Ulli Hertzig und habe vor 70 Jahren im Schloss viele Jahre gewohnt. Es war eine herrliche Zeit! Früh zeitig raus – über die Brücke in die Kirche die Glocke läuten – aus dem Fenster Karpfen angeln usw. Ich werde bestimmt wenn der Coronari es erlaubt wieder mal kommen.
Hallo Uli,
das ist ja toll. Ich habe den (oder einen der) jetzigen Bewohner getroffen und eine Privatführung bekommen, als ich unverschämterweise an einem Sonntagmorgen um das Schloss herumgeschlichen bin. War von der Freundlichkeit und den vielen historischen Räumen, Möbeln und sonstigem Inventar völlig hingerissen. Ich besuche das Schloss sicherlich auch gerne wieder.
Liebe Grüße und bleib gesund,
Michaela