Am Stadtrand von Nürnberg, direkt am Zerzabelshofer Forst, liegt einer der schönsten Landschaftstiergärten Deutschlands: der Tiergarten Nürnberg. Hier kann man in einer grünen Oase weitläufiger Waldparkanlagen mit alten Baumbeständen vom Alltagsstress entspannen. Während jedermann ehrfürchtig von den Giraffen steht oder fasziniert von den Seelöwen und Delfinen in der Lagune ist, nimmt sich kaum jemand die Zeit, auch die kleinen, scheuen oder auch unscheinbaren Zwerge im Tiergarten genauer zu betrachten. Das Wüstenhaus hat gleich jede Menge davon.
Öffnungszeiten und Eintrittspreise
Mistkäfer, Gecko, Wüstenratte & Co
Dabei ist es gerade das neu gestaltete Wüstenhaus, das sich mit naturnah angelegtem Gehege eine ganz andere Welt zeigt und das Anliegen des Zoos wie kein anderes Konzept auf den Punkt bringt: Mensch und Tiere sollen sich wohlfühlen. In unserer Zeit der Superlative, in der nichts schnell, groß und spektakulär genug sein kann ein völlig neues und gewagtes Konzept.
Mistkäfer statt Flusspferde
Eine Armada aus Pillendrehern und anderen Mistkäfern soll den Besuchern zeigen, was sie leistet: eine perfekte Entsorgung von Dung. In der Natur erkennen Mistkäfer aus mehreren Kilometern Entfernung frische Extremente. Was Nashorn, Elefant, Büffel und andere Zoobewohner nicht verwerten, steckt noch voller Nährstoffe für die Käfer. Sie formen mit großem Körpereinsatz ihre Mahlzeiten zu Kugeln und rollen diese schnell davon, um ihre Leckerbissen vor der Konkurrenz zu schützen.
Mistkäfer gelten als Feinschmecker und fressen noch lange nicht alles. Während Sonnenkäfer den Kot von Elefanten und Nashörnern bevorzugt, stehen Pillendreher auf die Hinterlassenschaften von Zebra, Wasserbock und Elenantilope. Herumlaufen sieht man die Käfer jedoch nur selten, denn sie ziehen den Kot unter die Erde. Die Dungkugeln werden dann entweder als Nahrungsvorrat oder als Nest für den Nachwuchs verwendet. Im letzteren Fall vergraben die Pillendreher sie bis zu 90 cm tief in der Erde und verschließen die Gänge, um sie vor Räubern zu schützen.
Dort unten in der Abgeschiedenheit tief im Boden der Savanne oder Wüste pflegt der weibliche Käfer seine Brut bis zu seinem eigenen Tod. Doch die Entwicklung der Eier scheint eine sehr diffizile Angelegenheit zu sein. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Damit sie die Larve tatsächlich entwickeln kann, ist ein optimales Zusammenspiel von Temperatur und Feuchtigkeit vonnöten. Und auch weitere Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle. Eine zuverlässige Nachzucht in Gefangenschaft ist bisher jedenfalls noch nicht gelungen.
Das Wüstenhaus
Mit einer sehr aufwendigen Technik will man nun im Wüstenhaus des Nürnberger Tiergartens das Klima in Afrika simulieren, um künftig die Lebensbedingungen der empfindlichen Käfer zu erforschen und eines Tages den entscheidenden Durchbruch bei der Nachzucht zu erreichen. Bis jedoch der erste eigene Nachwuchs der Pillendreher aus dem Sand krabbelt, kann noch einige Zeit vergehen.
Rund eine Millionen Euro hat der Umbau gekostet, der sich die australische und algerische Wüste zum Vorbild genommen hat. Bereits im Jahr 2016 startete der dreidimensionale Umbau der ehemaligen Feuchträume für Flusspferde. Und obwohl im Wüstenhaus Bodentemperaturen bis zu 45 Grad herrschen, verbraucht der Bau 95 Prozent weniger Energie mit seiner Bodenheizung. Beim Bau wurde langfristig ökonomisch geplant und in das bestehende Gebäude so etwas wie ein Niedrigenergiehaus eingezogen.
Müllabfuhr und Nährstofflieferdienst
Mistkäfer wie die Pillendreher rollen Tierkot zu kleinen Kugeln – als Nahrung für sich selbst und auch als Nistplatz für ihre Brut. Dabei vollbringen die Mistkäfer eine einzigartige Leistung, denn ohne sie wäre die Serengeti bereits nach zwei Wochen einen halben Meter hoch mit Exkrementen bedeckt, weiß Dr. Dag Encke zu berichten. Der Tiergartendirektor ist schon seit Jahrzehnten von den afrikanischen Insekten fasziniert.
Als Müllabfuhr beseitigen die unermüdlichen Käfer die Exkremente rasch und effektiv. Ihr Beitrag für die Natur dürfe nicht unterschätzt werden. Der Hype auf den schwarzen, grünlich schimmernden Skarabäus ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Schon vor tausenden von Jahren versuchten die Ägypter, die Geheimnisse der mystischen Krabbeltiere zu ergründen.
Seit dem Frühjahr 2018 ist es so weit, die Verwandten des berühmten Skarabäus dürfen auch im Tiergarten Nürnberg herumkrabbeln – nämlich im ehemaligen Flusspferdhaus. Unter den pyramidenförmigen Verschlüssen der Eingänge zu den unterirdischen Gängen der Käfer fanden Ägypter verpuppte Larven, die wie Mumien aussahen.
Der Zusammenhang zur Bestattung der Pharaonen liegt nahe. Doch auch ohne diese Parallele sind Mistkäfer, deren es über 3000 verschiedene Arten gibt, eine Bereicherung – nicht nur für die Natur, sondern auch für den Nürnberger Tiergarten.
Tiergarten im Wandel der Zeit
Blättert man im Register der Stadt Nürnberg bis zum Jahr 1912, trifft man auf die Gründung des Zoos in Nürnberg im Luitpoldhain. Wie der gesamte Tiergarten wurde auch das Flusspferdhaus zur zweiten Eröffnung im Jahr 1939 am Schmausenbuck gebaut. Langsam in die Jahre gekommen und nicht mehr als adäquates Quartier für die Flusspferde betrachtet, wurde das Haus in den letzten Monaten aufwändig restauriert und zum Wüstenhaus umgebaut.
Artenschutz im Zoo?
Etwa 400 Arten von Tieren werden in Europa in koordinierten Zuchtprogrammen vor dem Aussterben bewahrt. Das ist zwar nur ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein, schafft aber neben der Arterhaltung auch bei den Besuchern das Bewusstsein über den Schutz der unterschiedlichen Ökosysteme auf unserer Erde. Es gilt, die Biodiversität zu erhalten, dazu gehört nicht nur die Vielfalt der Lebensräume und die Vielfalt der Arten in diesen Lebensräumen, sondern auch die Vielfalt der Gene in den Arten.
Mistkäfer kurz vor dem Aussterben?
Man mag es nicht für möglich halten, aber kaum ist der Tiergarten Nürnberg auf der Suche nach Mistkäfern für das frisch fertiggestellte Wüstenhaus, bricht weltweit die Kotkäferpopulation zusammen. Zur Zeit befinden sich deshalb nur rund 50 Mistkäfer statt der geplanten 1500 Exemplare im Wüstenhaus. Schuld sind die Entwurmungsmittel, die den Rindern in den Savannen und Steppen Afrikas und Australiens verabreicht werden. Die Entwurmungsmittel töten nämlich anscheinend nicht nur die Parasiten im Darm der Kühe, sondern eben auch Pillendreher.
Land in Sicht (oder besser: Mistkäfer in Sicht)
Jetzt kommen regelmäßige Lieferungen von Skarabäen aus Afrika und vielleicht auch anderen Teilen der Welt. 2019 stürzten sich die Käfer, die in speziellen Transportboxen um Ostern herum in Franken ankamen, direkt auf die Hinterlassenschaften der Somali-Wildesel, um daraus Pillen zu formen.
Die Wüste lebt!
Etwa 41 Prozent der Landoberfläche unseres Planeten bestehen aus Trockengebieten. Und das Leben in der Wüste ist sehr empfindlich. Heutzutage geht ein Großteil der Süßwasservorräte für die Landwirtschaft verloren. Ganze Lebensräume kollabieren deshalb. Das beste Beispiel hierfür ist der Aralsee. Einst eines der größten Trinkwasserreservoirs ist der See seit vielen Jahren zur Salzwüste mutiert, der ein Leben nahezu unmöglich macht.
Wüsten sind lebensfeindlich, da ist doch ohnehin nicht (mehr) viel los – mag man vielleicht meinen. Aber nur, weil wir kaum Leben in der Wüste wahrnehmen, heißt das noch lange nicht, dass es dort kein Leben gibt. Das Leben in Trockengebieten findet nicht auf der Oberfläche, sondern im Boden statt. Denn in einer Tiefe von nur 1,5 Metern finden wir dort fruchtbare Lößschichten, die lediglich mit kargem, Wasser durchlässigem Sand überzogen sind. Zerstören wir die Böden in der Wüste, zerstören wir auch Lebensräume und damit Leben.
Sandratten und Geckos als Nachbarn
Neben Mistkäfern bevölkern auch Fette Sandratten, Atlasagamen, Rüsselspringer und verschiedene Geckos das Wüstenhaus und repräsentieren damit in beeindruckender Weise die afrikanische Wüstenfauna. Ein Steinrötelpaar ergänzt die Käfer, Eidechsen und Ägyptischen Landschildkröten in der Luft.
Mehr Ruhe, bitte!
Es ist noch zu laut im Wüstenhaus. Täglich rennen Hunderte von Menschen durch das Wüstenhaus – in der Hoffnung auf eine spektakuläre Entdeckung. Der Geräuschpegel und die Erschütterungen auf dem Boden sind jedoch ein Problem für die scheuen Tiere. Sie sind den Radau nicht gewohnt. Die Folge: Sie verstecken sich und kommen erst heraus, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist.
Die Geckos sind mutiger und laufen auch flink zwischen den Rädern von Kinderwagen und Dutzenden von Füßen herum. Denn schließlich soll im Wüstenhaus die Natur ganz nah sein – und deshalb ist keine Absperrung zwischen den Gehegen und den Wegen vorhanden. Oft zum Schrecken der Tierpfleger, die sie dann immer wieder einfangen müssen, um sie vor der Flucht oder dem Zusammenstoß mit uns Menschen zu retten.
Besuch des Wüstenhauses
Gehört ihr zu den Menschen, in denen noch ein echtes Entdeckerherz schlägt, müsst ihr unbedingt in das Wüstenhaus im Nürnberger Tiergarten kommen. Nehmt euch Zeit und bringt jede Menge Geduld mit, wenn ihr einen Besuch plant.
Eile und Lautstärke sind hier völlig unangebracht. Am besten sucht ihr euch einen Tag unter der Woche aus, an dem nicht so viel los ist. Dann habt ihr beste Chancen, auch Schildkröten und Sandratten zu sehen. Ansonsten müsst ihr ein wenig auf der Bank im Wüstenhaus ausharren, bis der größte Trubel vorbei ist.
Tiergarten Nürnberg – Infos
Adresse
Tiergarten Nürnberg
Am Tiergarten 30
90480 Nürnberg
Telefon: 0911 54 54 6
Homepage: tiergarten-nuernberg.de
Der Nürnberger Tiergarten liegt im Osten der Stadt zwischen den Stadtteilen Mögeldorf und Zerzabelshof. Er ist vom Hauptbahnhof aus mit der Straßenbahn (Linie 5) erreichbar.
Öffnungszeiten
- täglich geöffnet
- Sommer: 8:00 – 19:30 Uhr
- Schließung der Tierhäuser: 18:45 Uhr
- Winter: 9:00 bis 16:30 Uhr (Ab Ende Oktober)
Eintrittspreise
- Erwachsene: 20,00 Euro
- Kinder (4-13 Jahre): 9,40 Euro
- Jugendliche (14-17): 15,00 Euro
- Familienkarte (Eltern o. Großeltern mit eigenen Kindern/Enkeln): 45,00 Euro
- Teilfamilienkarte (1 Eltern- oder Großelternteil mit Kindern/Enkeln): 25,00 Euro
- Bollerwagenverleih: 4,00 Euro
- Rollstuhlverleih: 4,00 Euro
Parken
Vor dem Tiergarten ist ein richtig großer Parkplatz angelegt. Es ist selbst zu Stoßzeiten fast immer möglich, noch einen Platz zu ergattern. Manchmal muss man dann ein paar Meter weiter laufen, dafür ist er kostenlos.
Fazit
Ein Besuch im Tiergarten lohnt natürlich immer. Für alle kleinen und großen Entdecker ist das Wüstenhaus eine echte Fundgrube. Hier haben die Tiere – wie in der Natur – die Möglichkeit, sich zu verstecken. Und man braucht schon ein wenig Geduld und ein gutes Auge, um sie zu entdecken. Mit der Zeit bekommt man einen richtig guten Blick, auf was man achten muss und findet plötzlich überall etwas krabbeln und fliegen, während die anderen einfach an dem Spektakel im Verborgenen vorbeilaufen.