Hinter dem unaussprechlichen Namen Rhinolophus ferrumequinum steckt eine ganz besonderes Tier, das weltweit vom Aussterben bedroht ist: die Große Hufeisennase. Die seltsame Bezeichnung stammt von der Form ihrer Nase, die tatsächlich an ein Hufeisen erinnert. Seit der Entdeckung der Wochenstube dieser seltenen Fledermausart im Jahr 1992 bemühen sich Naturschützer, LBV und die Heimatgemeinde um die Erhaltung dieser Art. Im Fledermaushaus Hohenburg im schönen oberpfälzer Lauterachtal liegt das letzte Quartier der Großen Hufeisennase.
Heimat der letzten Hufeisennasen
Die Schutzbemühungen um Deutschlands seltenste Fledermausart tragen erste Früchte. Seit Projektbeginn im Jahr 2012 ist die Kolonie von 67 auf 184 Tiere im Jahr 2018 angewachsen.
Erst im Mai 2018 wurden die beiden neuen Fledermaustürme im Lauterachtal fertiggestellt. Sie dienen den Tieren als Trittstein für die weitere Ausbreitung. Noch mehr Informationen finden Wanderer und Radfahrer auf dem neuen Fledermausrundwanderweg rund um die Ortschaft.
Und es läuft weiterhin gut. 2021 konnten im Frühjahr um die 340 erwachsene Weibchen gezählt werden, die 136 Jungtiere zur Welt brachten. Im Vergleich: 2016 waren es mit 66 Geburten noch knapp halb so viele. 2020 wurden 118 Junge gezählt.
Die Hufeisennase (liebevoll Hufi genannt)
- Spannweite: 35 bis 40 cm
- Kopf-Rumpflänge: 5,6 bis 7,1 cm
- Gewicht: 17 bis 34 g
- Gewicht bei der Geburt: 5 bis 6 g
- Fellfarbe Rücken: rötlich braun bei Alttieren, eher grau bei Jungtieren
- Bauchfarbe: grau bis gelblich weiß
- Alter: bis zu 30 Jahren
2018 – ein Jahr mit Rückschlägen
Seit ihrer Entdeckung war die Zahl der Tiere nur in einem einzigen Jahr rückläufig: 2018. Woran das lag, war schnell erkannt: Ein Sperberpärchen hatte sich im Lauterachtal einquartiert. Im Frühjahr 2018 hatten die Sperber Nachwuchs und machten in großem Stil Jagd auf die fliegenden Säugetiere. Man geht davon aus, dass den Greifvögeln an die 50 Hufis zum Opfer gefallen sind. Nichtsdestotrotz steigt auch weiterhin die Geburtenrate.
Das Fledermaushaus
Mit ihren fünf Gramm Lebendgewicht wären die neugeborenen Fledermauskinder, die in der zweiten Junihälfte auf die Welt kommen, eine leichte Beute für Marder und Katzen. Also suchen sich die Mütter eine Höhle, in der Mutter und Kind sicher vor Eule und Co. an der Decke hängen können. Allerdings ist es in den meisten Höhlen sehr kalt, sodass die jungen Hufis zu erfrieren drohen, wenn ihre Mutter in der Dämmerung auf die Jagd geht.
Wohltemperierte Höhlen sind selten. Als Ersatz richten sich die Tiere deshalb auch gerne in Dachböden ein. Zumindest dann, wenn ihnen und ihrem Nachwuchs dort keine Gefahr droht. Am liebsten errichten sie ihre Kinderstube deshalb in leer stehenden Häusern. Und genau in einem solchen Gebäude in Hohenburg entdeckte man 1992 dann auch die Wochenstube der seltenen Hufeisennase.
Seit ihrer Entdeckung im oberpfälzischen Hohenburg haben die Hufis durch das Fledermaushaus eine sichere Zuflucht gefunden. Auf Anfrage sind auch Führungen möglich.
Adresse
Marktplatz 32
92277 Hohenburg
Öffnungszeiten
- ab Mai: Freitag ab etwa 19:00 Uhr
- Juni/Juli: ab 20:00 Uhr
- August: ab 19:00 Uhr
- Tel. (Rudi Leitl): 09626 / 929 97 72
- bei gutem Wetter anschließend Ausflugsbeobachtungen (bis ca. 22:30 Uhr)
Wenn ihr in einer größeren Gruppe anreist, könnt ihr auch an anderen Wochentagen mit Voranmeldung eine Führung bekommen.
Huficam – Live
Wer live einen Blick in die Kinderstube der Großen Hufeisennase werfen möchte, kann das auf der Seite des LBV tun. Hier findet ihr eine Fledermaus-Webcam, die allen Naturfreunden einen Einblick in die Wochenstube der nächsten Hufi-Gereration gewährt.
Eine Erfolgsgeschichte
Die Große Hufeisennase besitzt in Deutschland nur ein einziges Fortpflanzungsvorkommen, nämlich hier im Lauterachtal in der Oberpfalz. Zum ersten Mal dokumentierte der ehemalige Leiter des Nürnberger Tiergartens Dr. Manfred Kraus im Jahr 1961 bei der Kontrolle von Winterquartieren die Hufeisennasenfledermaus in Höhlen in der Nähe von Hohenburg.
In den 1980er Jahren konnten lediglich 12 Tiere gezählt werden. Mithilfe von Minisendern konnte dann 1992 die schon lange vermutete Wochenstube der Fledermäuse in einem alten, nicht mehr bewohnten Fachwerkgebäude gefunden werden. Damals bestand die völlig isolierte Kolonie in Hohenburg aus 21 erwachsenen und zehn Jungtieren. Umgehend pachtete die Regierung der Oberpfalz den Stadl. Gleichzeitig wurden die Winterquartiere gegen unbefugten Zutritt abgesichert.
Zum Schutz der kleinen Population wurde die extensive Landwirtschaft im Lauterachtal gezielt gefördert und zahlreiche Landschaftspflegemaßnahmen durchgeführt. Erst seit 2001 ist langsam ein stetiger Zuwachs zu verzeichnen. In 2008 gelang der Ankauf einen maroden und einsturzgefährdeten Quartiergebäudes, das sofort notgesichert wurde.
Das Wunder von Hohenburg
Und dann geschah ein kleines Wunder: Auf Antrag der höheren Naturschutzbehörde wurde 2009 knapp eine Million Euro zur Sanierung des Anwesens genehmigt. Sofort machte man sich an die Arbeit, den Gebäudekomplex statisch zu sichern und Optimierungsmaßnahmen zugunsten der seltenen Tiere durchzuführen. Die Hufis danken ihre Quartiersanierung mit deutlich mehr Nachwuchs und die Kolonie hat sich seitdem um ein vielfaches vergrößert. Seit 2012 steht das Fledermaushaus nun auch Besuchern offen.
Obstbäume, Schafe und Kufladen
Die Hufeisennasen im oberpfälzischen Hohenburg sind auch weiterhin gefährdet. Seit ihrer Entdeckung im Lauterachtal sind die Tiere streng geschützt. Und wenn die Population nicht rasch wächst und sich neue Kolonien bilden, kann eine Infektion oder ein einziger Blitzschlag die letzte Kolonie in Deutschland vernichten. Deshalb wird neuer Lebensraum geschaffen.
Da durch die intensive Landwirtschaft immer weniger Nahrung für die fliegenden Säugetiere vorhanden ist, weidet jetzt am Hohenburger Waldrand eine projekteigene Rotviehherde. Nein, die Rinder dienen nicht als Nahrungsquelle für die Hufeisennase. Vielmehr sind es die Kuhfladen, die den Beutetieren der Fledermäuse wieder ausreichend Nahrung bieten. Dazu zählen beispielsweise Dungkäfer.
Natürlich übernimmt auch der Wanderschäfer eine wichtige Funktion auf den pestizidfreien Flächen. Mit rund 700 Tieren und zwei Hütehunden durchstreift er täglich die Wacholderheide am Truppenübungsplatz.
Die 150 neu angepflanzten Obstbäume locken Beuteinsekten für die gefährdete Fledermaus an. Die alten Obstbaumsorten haben gleich mehrere Funktionen: Sie produzieren frisches Obst für uns Menschen und dienen gleichzeitig Vögeln und Insekten als Nahrungsquelle und Lebensraum. Die von der Sonne aufgewärmten Stammbereiche bieten einen idealen Hangplatz für die Hufis, um sich dort im Spätwinter aufzuwärmen und von den Ästen auf Beutezug zu gehen.
Zu Gast bei den Hufis: Wimperfledermäuse
Ganze 11 Jahre lang trieb sich ein einsames Männchen der Wimpernfledermaus bei den Großen Hufeisennasen herum. Im Sommer 2018 war dann erstmals ein weiteres Tier dieser Art im Fledermaushaus zu sehen. Die Wimpernfledermaus lässt sich schon aus der Ferne leicht von den Hufis unterscheiden. Sie ist mit etwa 23 cm Flügelspannweite und einem Gewicht von 7 bis 15 g ein echtes Federgewicht im Vergleich. Diese Fledermausart kommt eigentlich im mediterranen Raum vor und findet in Bayern und der Pfalz ihr nördlichstes Verbreitungsgebiet. Sie ist zwar nicht vom Aussterben bedroht, zählt aber dennoch als selten. Lassen wir uns überraschen, wer sich sonst noch so hier sehen lässt.
Batnight
Am letzten Wochenende im August dreht sich auf der internationalen Batnight alles um die Fledermaus. Überall in Deutschland bieten LBV-Gruppen und NABU Exkursionen rund um das Thema an.
Infos unter: nabu.de
Fazit
Es ist noch nicht geschafft. Noch hat die Große Hufeisennase keine neuen Kolonien gebildet. Aber der Anfang zu ihrer Rettung ist dank zahlreicher Naturfreunde und Institutionen im Lauterachtal und der Oberpfalz schon einmal gemacht. Ein wunderbares Projekt, das uns beim Umgang mit unserer Natur ein wenig nachdenklich und umsichtiger stimmen sollte.
Wenn du nicht genug bekommen kannst vom schönen Lauterachtal in der Bayerischen Toskana, dann erkunde die Oberpfalz auf dem Wacholderwanderweg von Schmidmühlen nach Kastl. Wir können dir die Zweitagestour nur empfehlen!
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